Das Magazin “Spiegel” hat sich verdient gemacht um den Klimaschutz. Es hat das Thema oben auf seine Agenda gesetzt, geht es gemeinsam mit Sponsoren an, beteiligte sich an einer internationalen Medienkampagne zum Klimaschutz.
Nachfolgende Generationen werden mit Dankbarkeit lesen, mit welchem Einsatz sich Journalisten des Magazins für die Konzerne der Erneuerbaren Energien starkgemacht haben.
Zwar zeigt der “Spiegel” derzeit nicht mehr seinen “Ökostrom-Zähler” (seit wann eigentlich nicht mehr?), der jahrelang auf der “Spiegel”-Homepage anfeuernd den Stand des Ausbaus Erneuerbarer Energien dokumentierte, freilich ohne konkurrierende klimafreundliche Energielösungen wie Kernkraft, CCS oder andere zu offerieren:
Dafür funktioniert die Kooperation mit dem Klimaschutzministerium der Bundesregierung nun umso besser.
Diese Woche veröffentlichte das Ministerium von Robert Habeck (Grüne), das sich dem beschleunigten Ausbau von Windkraft und Solarenergie verschrieben hat, eine “Studie”, die drei private Institute im Auftrag angefertigt hatten.
„Bis zur Mitte des Jahrhunderts rechnen die Forschenden je nach Ausmaß der Erderwärmung mit kumulierten volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro“, hieß es in der Prognose.
„Von 2000 bis 2021 sind mindestens 145 Milliarden Euro Schäden durch die Folgen der Klimakrise entstanden, alleine 80 Milliarden davon seit 2018“, lautet die Rückschau. Allein die Flutkatastrophe 2021 in Westdeutschland habe „mindestens 40,5 Milliarden Euro“ Schäden verursacht.
All das war unhaltbar.
Weder die Vorhersagen, noch die Rückschau in Sachen angeblicher Klimaschäden waren seriös. Hier mein Text dazu (WELT-Plus).
Es war das bekannte Muster: Um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, versucht die zuständige Lobby die Kosten des Klimawandels hochzurechnen.
Hauptproblem der Habeck-Studie ist, dass den Berechnungen das unrealistische RCP8.5-Klimaszenario zugrunde gelegt wurde, das eine extreme Treibhauswelt zeigt.
RCP 8.5, „repräsentativer Konzentrationspfad 8.5“, beschreibt eine Entwicklung, bei der die CO2-Konzentration in der Luft so stark ansteigt, dass das Treibhausgas die globale Erwärmung um 8,5 Watt pro Quadratmeter verstärkt.
Für RCP 8.5 müsste die CO2-Konzentration von heute 420 Luftteilchen pro eine Million Luftteilchen (ppm) auf 1400 Teilchen pro eine Million steigen (in manchen Simulationen auf 2000 ppm). Derzeit fügt die Menschheit der Luft etwa drei ppm CO2 pro Jahr hinzu.
Um RCP8.5 zu erreichen, müsste die Menschheit ihre Kohlenutzung massiv ausweiten. Energieforscher rechnen im Laufe des Jahrhunderts eher mit einem Rückgang des globalen CO2-Ausstoßes.
Klimaforscher mahnen seit Langem, RCP8.5 nicht mehr zu nutzen. Die US-Regierung hat es nach Druck aus der Wissenschaft gerade aus seinen Prognosen verbannt. Dass die Bundesregierung ihren Landsleuten anhand dieses Szenarios nun vorrechnet, wie teuer der Klimawandel werden könnte, darf als skandalös gelten, schrieb ich in WELT.
Justin Ritchie und sein Kollege Zeke Hausfather zeigten bereits 2019 auf Basis der Emissionsdaten der Internationalen Energie-Agentur IEA, dass auch das RCP6.0-Szenario außer Reichweite liegt. Sie schrieben: „Die Welt folgt derzeit Szenarien zwischen RCP4.5 und schwächerem Klimawandel.“
Als unrealistisches Extremszenario gekennzeichnet, wäre das RCP8.5-Szenario legitim, konstatierten Hausfather und sein Kollege Glen Peters im Magazin „Nature“.
Der aktuelle Erwärmungstrend bedeutet den Modellen zufolge noch immer eine riskante globale Erwärmung von anderthalb bis zwei Grad. Aber erst das RCP-8.5-Szenario liefert verlässlich apokalyptische Szenarien.
Dass das Bundeswirtschaftsministerium anhand des RCP8.5-Szenarios den Deutschen bis 2050 eine Klimakatastrophe voraussagte, sollte kritische Fragen provozieren. Aber nein, die Pressemitteilung war vorhersehbar ein großer Erfolg.
Nachrichtenagenturen verbreiteten ihren Inhalt ohne Einordnung, die meisten Medien übernahmen die Meldung.
Es entspann sich ein Twitter-Dramolett:
Grünen-Politiker machten ihren Job:
Der “Spiegel” sekundierte; Klimaschutz “lohnt sich auch finanziell”:
Nachdem auch Kanzler Olaf Scholz sich beeilt hatte, die Klima-Bonanza zu versprechen, hakte das “Handelsblatt” bei Ökonomen nach. Die sahen die Bonanza allerdings nicht.
Schließlich musste die Regierung gegenüber dem “Tagesspiegel” Fehler in ihrer Klimaschutz-Studie einräumen, Angaben zu angeblichen Klimawandelschäden als übertrieben abräumen:
Am Ende der Woche berichtete der “Spiegel” nochmal ausführlich über die Klimaschutz-Studie von Habeck (“Die Klima- wird zur Wirtschaftskrise”), warnte vor den prognostizierten Schäden und lieferte auch die Lösungen mit, die Habeck präsentiert hatte.
Die Fehler und unlauteren Prognosen waren in dem '“Spiegel”-Text aber kein Thema. Stattdessen referierte das Magazin minutiös, was die Regierung vorhergesagt hatte.
Zur Untermauerung zitierte der Artikel den Joker aller Rechtfertigungen für aus dem Ruder laufende Energiewende-Kosten: den “Stern-Report”.
2006 hatte der britische Premierminister Tony Blair den Ökonomen Nicholas Stern beauftragt, die Kosten des Klimawandels zu berechnen. Blair brauchte ein Thema, das groß und konstruktiv genug war, um sein damaliges Irak-Krieg-Problem zu überblenden.
Ein visionärer Blair, der die Klimakatastrophe abzuwenden sich anschickt, ergab ein probates Bild.
Der “Stern-Report” sorgte für die erhoffte Aufmerksamkeit, denn er sagte extreme Wirtschaftsschäden durch den Klimawandel vorher. Stern ging von einer Vervielfachung von Wetterkatastrophen aus, ohne robuste Datengrundlage.
Der Report war wegen seiner fraglichen Annahmen von Klima-Ökonomen massiv kritisiert worden, unter anderem vom späteren Ökonomie-Nobelpreisträger William Nordhaus.
Nordhaus und andere hatten berechnet, dass bei Abwägung von Klimaschutz-Kosten und Klimawandel-Kosten weitere Erwärmung in Kauf genommen werden sollte; Nordhaus hatte 3,5 Grad als Optimum berechnet (andere kamen auf niedrigere Werte).
Die Prognosen des “Stern-Reports” indes liegen heute mehr denn je jenseits der Plausibilität. Wenn Argumente für eine forcierte Bonanza Erneuerbarer Energien benötigt werden, greifen ihre Vertreter jedoch weiterhin auf den “Stern-Report” zurück.
Sachliche Debatte stand für Nicholas Stern nicht immer im Mittelpunkt. Zentrale Herausforderung wäre es, Skeptiker zu besiegen, sagte er: Die „Mächte der Finsternis“ müssten “zurückgedrängt” werden.
Korrekte Informationen gelten als wenig hilfreich im Krieg der Klimalobbys, das hat offenbar auch die Bundesregierung erkannt. Übertreibungen dringen durch.
Aber was könnten Klimawandelschäden denn nun kosten in Deutschland? Diese Frage lässt sich anhand der Regierungsstudie nicht beantworten. Aber darum ging es ja wohl auch nicht. Axel Bojanowski