Bill Gates, der "Spiegel" und der Volkstamm der Turkana
Diskurslenkung in Sachen Klima ist legitim, dient aber nicht der Wahrheitsfindung
Bill Gates und das Magazin “Spiegel” verbindet ein Ziel: Sie möchten die Welt verbessern. Gates gibt Geld für die Entwicklung von Medizin und Technologie und für Medien, die ihm wichtig erscheinende Probleme berichten. Der “Spiegel” hat den Klimawandel zum “wohl drängendsten Thema unserer Zeit” erklärt und seine Berichterstattung entsprechend gestaltet.
Da ergab sich eine produktive Verbindung: Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung subventioniert journalistische Projekte des Magazins von 2018 bis 2025 zum Thema “Global Health and Development Public Awareness and Analysis” mit gut 5,4 Millionen Dollar. Für Bill Gates ist es Diskurslenkung, für den “Spiegel” ist es “konstruktiver Journalismus”, der wohl auch gut bei lukrativen Zielgruppen ankommt.
Die Kooperation gerät gerade in den Fokus, weil der “Spiegel” eine Titelgeschichte veröffentlicht hat über das Gebaren der vermögendsten Leute der Welt. Doch auf der Titelseite zum Text „Die Gesetzlosen“ fehlt Bill Gates, seit langem einer der Reichsten. Meine Kollegen Christian Meier und Georg Altrogge haben einen erhellenden Text zu der Angelegenheit geschrieben.
In der von der Gates-Stiftung unterstützten “Spiegel”-Rubrik “Die globale Gesellschaft” erscheinen lesenswerte Artikel. Dass die Gates-Stiftung der “Spiegel”-Redaktion konkrete Vorgaben machen würde für Artikel, lässt sich ausschließen (Transparenz-Hinweis: Ich gehörte von 2010 bis 2019 zur “Spiegel”-Redaktion).
Problematisch an dem "Spiegel"-Projekt "Globale Gesellschaft" mit der Gates-Stiftung erscheint mir die Themen-Vorgabe: "Ungerechtigkeiten vor dem Hintergrund der Globalisierung". Das mündet immer wieder in wissenschaftlich irrige Texte, weil lokale Probleme fälschlich auf global bedingte Ursachen wie den Klimawandel zurückgeführt werden.
Im Nordwesten Kenias seien die Folgen der Klimakrise deutlich zu spüren, berichtete dieser Artikel. Tiere und Menschen würden leiden, besonders der Volkstamm der Turkana.
“Die Regenfälle lassen sich immer schwerer vorhersagen. Das führt zu immer längeren Dürren, bei denen Flüsse trockenfallen und riesige Seen schrumpfen”, heißt es in dem Text.
Doch die “Spiegel”-Rubrik “Globale Gesellschaft” unterlässt es anscheinend, Klimadaten mit den behaupteten Klimawandelfolgen abzugleichen. Die monatliche Regenmenge in der Turkana-Region jedenfalls ist Daten zufolge nicht im Abwärtstrend:
Auch schwere Dürre scheint eher der Normalfall zu sein in der Region:
Dass Vieh in der Region in Dürre umkommt, scheint ebenfalls kein neues Phänomen:
Die Probleme in der Region in Kenia könnten also hausgemacht sein, aber das wäre dem Thema “Globale Gesellschaft” nicht dienlich.
Häufig von Dürre Betroffene haben es sich zu eigen gemacht, den Klimawandel als Ursache zu nennen, wohl auch um Verantwortung umzulenken. Implizit lässt sich auf “Schadenersatz” westlicher Industrieländer drängen, die unstrittig wesentlich Verantwortung tragen für die globale Erwärmung, die örtlich Dürre verschärfen könnte.
In diesem Artikel der “Spiegel”-Serie “Globale Gesellschaft” wird ganz unverblümt Schadensersatz gefordert:
Das Vernebeln lokaler Ursachen mit Argumenten wie "Globalisierung" oder "Klimawandel" liefert Rechtfertigung für die Anführung externer Krisenverantwortlicher. Das macht die Probleme für Großstiftungen relevant, die ihre Projekte als Heilsmittel für universelle Krisen beglaubigt wissen möchten, um sie aufzuwerten (wohlgemerkt: die stupiden Verschwörungsbehauptungen, Bill Gates arbeite heimlich am Umbau der Welt sind Unsinn, ohne Evidenz).
Beim “Spiegel” führt der Fokus auf globale Ursachen zum Beispiel dazu, dass in diesem Artikel das Problem Klimawandel zwar in der Überschrift behauptet, im Text aber gar nicht erwähnt wird (kein Wunder, die Sachlage für die angeblichen Klimaflüchtlinge ist wissenschaftlich fragil).
Und in diesem Artikel der “Globale Gesellschaft”-Serie wird vorausgesetzt, dass die Südseeinsel Kiribati “in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren im Meer versinkt”, obwohl der Meeresspiegel dort seit 30 Jahren konstant ist.
Diese Stichproben können Ausnahmen sein, ich habe nicht alle Artikel der “Spiegel”-Serie überprüft. Jedenfalls ist die Gates-Stiftung nicht allein: In der Klimadebatte ist Diskurslenkung durch Stiftungen ein entscheidender Faktor geworden. Mein Kollege Daniel Wetzel und ich haben in diesem ausführlichen WELT-Artikel Beispiele nachgezeichnet.
Das im August 2007 veröffentlichte Strategiepapier „Design To Win – Philantropy’s Role in the Fight Against Global Warming“ war sozusagen der Masterplan für die Verankerung der Energiewende-Idee in Politik und Gesellschaft.
Unter Beteiligung des Gründers der US-Stiftung ClimateWorks, Hal Harvey, hatten die beiden philanthropischen Stiftungen der US-Unternehmerfamilien Hewlett und Packard Studien finanziert, wie Stiftungsgeld am effizientesten zum Aufbau einer Klimaschutzpolitik eingesetzt werden könne.
Strategiepapier für Diskurslenkung
In Bezug auf die EU heißt es im Strategiepapier: „Gründe neue, nationenspezifische Organisationen mit der Expertise zur strategischen Beschaffung von Fördergeldern mit großer Hebelwirkung“. In Europa setzen in erster Linie die European Climate Foundation (ECF) und die Stiftung Mercator den Plan um.
Die Mercator-Stiftung finanziert sich aus dem Familienvermögen des Metro-Gründers um Karl Schmidt. Zu den Geldgebern der ECF gehört neben den Stiftungen der amerikanischen Unternehmerfamilien Hewlett und Packard sowie Bloomberg und Rockefeller unter anderem die Ikea Foundation und die deutsche Stiftung Mercator.
Die Führungsriege der European Climate Foundation rekrutiert sich aus international vernetzten Topmanagern. Den Vorsitz der ECF führte bis 2018 Caio Koch-Weser, ehemals geschäftsführender Direktor der Weltbank, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Vice Chairman der Deutschen Bank.
Derzeit führt die Ökonomin und Sonderbotschafterin des französischen Außenministeriums Laurence Tubiana mit einem Jahreseinkommen von gut 330.000 Euro die Organisation. Sie verfügt über mehr als 150 Mitarbeiter und Büros in Den Haag, Berlin, Brüssel, London, Paris und Warschau. Sie verteilte 2019 rund 36 Millionen Euro an Klimaschutzorganisationen.
Die European Climate Foundation sponsert Dutzende Medien und NGOs, um das Ziel der Stiftung zu forcieren: die rasche Dekarbonisierung Europas, die allerdings gravierende gesellschaftliche Zielkonflikte mit sich bringt. Um die Dekarbonisierung gegen alle gesellschaftlichen Konflikte zu rechtfertigen, scheint es förderlich, den Klimawandel in möglichst schwarzen Farben zu malen, was über Diskurslenkung gelingt.
Tendenzschutz und Unternehmergeist
Die ECF fördert zum Beispiel „Klimafakten.de“, für das Journalisten schreiben. Kürzlich diente „Klimafakten.de“ als Grundlage für einen großen Artikel der “Spiegel”-Serie “Globale Gesellschaft” („Hitzschlag“). Er zitierte „Klimafakten.de“-Prognosen, als ob es sich um eine wissenschaftliche Quelle handeln würde, die aber eher an die Parolen von NGOs erinnerten.
Zwei Beispiele: “Bei 2 Grad Erwärmung verlieren 18 Prozent der Insektenarten die Hälfte ihres Verbreitungsgebietes”, heißt es unter Berufung auf “Klimafakten.de”. Oder: “Bei 2 Grad Erwärmung steigt für 21 Prozent der Landfläche das Risiko für Überschwemmungen an Flüssen”. Aussagen, die ganz im Sinne der European Climate Foundation sein dürften, aber schon auf den ersten Blick wissenschaftlich unsinnig sind.
Weder private Medien (Tendenzschutz-Paragraph) noch Unternehmer sind der Wahrheitssuche verpflichtet. Gates möchte mit der Finanzierung von Medien seinen Anliegen Vorschub leisten, der “Spiegel” sich mit der Beschwörung der Klimakrise profilieren. Beides ist legitim, auch wenn dabei der wissenschaftliche Sachstand zur globalen Erwärmung gelegentlich unter die Räder gerät. Axel Bojanowski