Der Club of Rome hat eine der am krachendsten gescheiterten Umweltprognosen veröffentlicht. 1972 sagte der Verband im Werk “Die Grenzen des Wachstums” vorher, dass die wichtigsten Rohstoffe bis zum Jahr 2000 zur Neige gehen würden. Hungersnöte und Untergang stünden bevor.
"The most probable result will be a rather sudden and uncontrollable decline in both population and industrial capacity", hieß es. “Zehn Jahre” blieben zum Umsteuern, schrieb der UN-Generalsekretär im Vorwort.
Es passierte das Gegenteil: Die Preise der meisten Ressourcen fielen, die Verfügbarkeit vieler Rohstoffe und das Nahrungsangebot wuchsen trotz Bevölkerungswachstums. Die Lebenserwartung stieg ebenso wie die Wirtschaftsleistung; Armut und Hunger wurden weniger.
Doch “Die Grenzen des Wachstums” wirkt bis heute: Der Glaube, dass Wirtschaftswachstum schlecht sei, ist Konsens in vielen Redaktionen und Lehrerzimmern in Deutschland.
Dieser Tage, 50 Jahre nach “Grenzen des Wachstums”, räumen Medien dem Club of Rome erneut prominente Plätze frei für seine Thesen. Seine Prognose-Historie fand dabei selten Erwähnung.
Die Prosa gleicht vielmehr jener vor 50 Jahren: “Ein Beibehalten des bestehenden Wirtschaftssystems werde Spannungen verstärken und den Wohlstand verringern”, schreibt die Tagesschau, die den erneuerten Appell des Club of Rome ohne Umschweife weitergibt:
Das New Institute, 2020 in Hamburg gegründet “als Plattform für sozialen Wandel” von dem in Erneuerbare Energien investierenden Reeder Erck Rickmers, schmückte sich zum 50. Jubiläum mit einem Autor der “Grenzen des Wachstums”, Dennis Meadows:
Die Autoren des apokalyptischen Bestsellers sind weiterhin gefragte Meinungsgeber:
Das Prinzip hat Tradition. Wenn es um Untergangsprognosen geht, verhält sich Journalismus gewöhnlich wie ein Reh, das vom entgegenkommenden Auto geblendet erstarrt: Jede noch so überdrehte Vorahnung wird berichtet, als ob es sich um bewiesene Mathematik handelt. Fehlprognosen bringen ihre Autoren nicht in Bedrängnis, im Gegenteil.
Der Club of Rome kann als Geburtshelfer des Phänomens gelten, zusammen mit dem Biologen Paul Ehrlich von der Stanford University, der Anfang der 1970er-Jahre die “Bevölkerungsbombe” proklamierte: Hungersnöte und Aufruhr als Folge des weltweiten Bevölkerungswachstums.
Ehrlich schrieb: “The battle to feed all of humanity is over. In the 1970s hundreds of millions of people will starve to death in spite of any crash programs embarked upon now. At this late date nothing can prevent a substantial increase in the world death rate.”
Zuvor hatte Ehrlich bereits zahlreiche Warnungen ausgesprochen, zum Beispiel:
“The death rate will increase until at least 100-200 million people per year will be starving to death during the next ten years.”
“If I were a gambler, I would take even money that England will not exist in the year 2000.”
Auch Ehrlich ist weiterhin gefragter Kommentator, der mit Auszeichnungen belohnt wird. Seine Prognose musste er nicht ändern: “Collapse of civilisation is a near certainty within decades”, behauptet er weiterhin.
In den 1970ern stiegen Medien auch auf den Alarm einer angeblich bevorstehenden Eiszeit mit dramatischen Hungersnöten ein und sattelten übergangslos auf die (weitaus solideren) Warnungen vor einer globalen Erwärmung um.
Deutschland profilierte sich als Epizentrum von Umweltapokalypsen. Das hierzulande beschworene “Waldsterben” etablierte sich als deutscher Begriff in der internationalen Presse.
Als 1995 die Firma Shell die Ölplattform “Brent Spar” in der Nordsee versenken wollte, hatte sich die Koalition von Medien und Umweltverbänden eingespielt.
“Wir waren eine große Familie”, erzählte ein Greenpeace-Aktivist in einer WDR-Dokumentation von seiner Zusammenarbeit mit Journalisten auf dem Greenpeace-Schiff, das gegen Shell in den Kampf gezogen war. “Irgendwie ist viel Gruppendynamik da”, berichtete eine “Spiegel”-Reporterin von der gemeinsamen Zeit:
Die Berichterstattung suggerierte, Shell würde eine Ölpest riskieren. 5500 Tonnen Öl wären an Bord der Plattform, behauptete Greenpeace. Ein Gutachten kam später auf 330 Tonnen, es gab den Zahlen von Shell damit annähernd recht.
Der Umsatz an Shell-Tankstellen sank aufgrund der Medienproteste um rund ein Drittel, so dass Shell sich dem Druck fügte: Die Firma entsorgte ihre Plattform - wie von Greenpeace gefordert - an Land, eine Entscheidung, die von Wissenschaftlern kritisiert wurde.
Irrationaliät hatte gewonnen. “Die Wut brachte die Wende”, schrieb die “Zeit”. “SIEG” titelte die “Bild”.
Gleichwohl, zahlreiche Umweltprobleme waren real: Bei Ozonloch, Saurem Regen, Artensterben, Überfischung, Überdüngung und besonders beim Klimawandel half Medienaufmerksamkeit das Problem anzugehen.
2001 aber verfielen Medien dem Wahnsinn: Der Rinderwahnsinn BSE bestimmte die Schlagzeilen, woraufhin der Verkauf an Rindfleisch aus Sorge vor der Krankheit dramatisch zurückging.
Bald stellte sich heraus, dass in Deutschland kein Mensch wegen BSE gestorben war. “Es muss befremden, dass ein so geringes Krankheitsrisiko Massenhysterien und härteste politische Maßnahmen zur Folge haben kann”, schrieb drei Jahre später ein Zoologie-Professor in der “FAZ”.
Auch die Angst vor Atomkraftwerken zelebrierten deutsche Medien auf besondere Weise, wie Untersuchungen von Medienforschern offenbaren. Ihre Daten belegen, dass Kernenergie in den 1970er-Jahren bei Journalisten in der Bundesrepublik ohne technologische Begründung in Ungnade gefallen war - im Gegensatz zu anderen Ländern, berichtet Hans Mathias Kepplinger von der Universität Mainz, der internationale Medienberichte seit den 1960er-Jahren ausgewertet hat.
Mit dem Kampf gegen sichere und klimafreundliche Kernenergie hat eine Journalistengeneration, die von nuklearer und fossiler Energie getriebenen Wohlstand genoss, ihre Nachfahren in größte Probleme gestürzt. Deutschlands Energieversorgung ist gefährdet.
Auch der Kampf gegen Fracking und Gentechnik findet gegen wissenschaftliche Expertise statt, die besonders in Deutschland von ressentimentgetriebener und aufmerksamkeitsheischer Stimmungsmache von vorgeblichen Umweltschützern übertönt wird.
Aktuell beherrscht die Klimadebatte die Berichterstattung. Längst hat die Wissenschaft solide dokumentiert, dass Handlungsbedarf besteht, um die globale Erwärmung zu bremsen.
Eine Debatte um den fundamentalen Zielkonflikt zwischen dem Grundbedürfnis nach billiger und verfügbarer Energie und dem Klimaschutz wird aber besonders in Deutschland mit unreflektierter Klimaapokalyptik kurzgeschlossen.
Stets finden sich Institutionen, die angreifbare apokalyptische Schlagzeilen auf sich lenken. Kritische Fragen haben die Selbstvermarkter nicht zu befürchten.
Der stellvertretende Chefredakteur des Wissenschaftsmagazins “Science Advance”, Chemie-Professor Warren S. Warren, brachte das Problem im Editorial des Wissenschaftsmagazins kürzlich auf den Punkt:
“Dozens of decades-old failed apocalyptic predictions about climate change were presented as ‘science says’, but were always low-probability outcomes… So, how can we blame the public for being skeptical about scientific findings? Scientists look like just another special interest group, pushing an agenda. Scientific societies, by and large, do not help change this perception.”
“If scientists want the public to trust what they say, then we must critically address how well we know what we claim, present counterarguments when there is a controversy, and actively advocate for free and open discussion of scientific issues”.
Im Gespräch mit meinem Kollegen Philipp Mattheis habe ich die Probleme der Klimawandel-Debatte weiter ausgeführt:
Axel Bojanowski