Gewalt in Schwimmbädern nehme zu - wegen des Klimawandels, meldet der WDR. Der Klimawandel erleichtere Punkterfolge beim Baseball, ergab eine medienbeliebte Studie:
Geburtenrate, Allergien, Flugturbulenzen - alles ändert sich angeblich wegen des Klimawandels; ähnliche Meldungen gibt es täglich:
Alles “killt” das Klima, wie “Argonerd” auf Twitter dokumentiert hat:
Der Klimaforscher Roger Pielke Jr. erklärt die Omnipräsenz solcher Meldungen mit dem Bedürfnis von Journalisten, das Klimathema bedienen zu wollen und dem attraktiven Resonanzraum, den sie damit schüfen:
“Many journalists now on the ‘climate beat’ having to come up with frequent climate-themed stories to satisfy their editors and their niche. This has the knock-on effect of creating incentives for researchers to produce studies with links to climate — no matter how tenuous or trivial.”
Leider geht das Prinzip über den Medienschaum hinaus. Es leitet das Denken über den Klimawandel, und das schafft politische Probleme.
Beispielsweise ist es üblich geworden, Kosten einer Naturkatastrophe gänzlich auf den Klimawandel zu schieben - es ist grobe Falschinformation wie in diesem Beispiel:
Wir haben es zu tun mit: Klimareduktionismus.
Mike Hulme von der Cambridge University hat das Phänomen beschrieben. Klimareduktionismus sei die Vorstellung, der Mensch würde mit dem selbstverschuldeten Klimawandel gottgleich alle Geschicke lenken:
“In this new mood of climate-driven destiny the human hand, as the cause of climate change, has replaced the divine hand of God as being responsible for the collapse of civilizations, for visitations of extreme weather, and for determining the new twenty-first-century wealth of nations.”
Mike Hulme kritisiert den Klimareduktionismus:
“Climate reductionism is a limited and deficient methodology for accessing the future.”
Klimareduktionismus wird machtpolitisch eingesetzt.
Klimaforscher, die ihren Expertenstatus ummünzen wollen in gesellschaftliche Dominanz, betonen die vermeintlich singuläre Bedeutung des Klimas - positive Zukunft sei “nur” möglich mit der Einhaltung von Klimazielen:
Das monokausale Argument ist beliebt, weil es eine einfache Welt suggeriert. Die Reduktion der CO2-Emissionen bestimme über das Wohlergehen, das ist die implizite Behauptung.
Komplexere Probleme lassen sich auf diese Weise kaschieren - wie beim Hochwasserschutz, wo jedoch vor allem Vorsorge, Vorwarnung und Evakuierung über die Auswirkungen entscheiden.
Der Fokus auf nur eine Variable, ist verlockend, er bringt Handlungsmacht und Deutungsmacht, entbindet von Verantwortung für Wetterkatastrophen und suggeriert die Unnötigkeit politischer Debatte:
Doch spätestens wenn Klimapolitik gesellschaftliche Folgen zeitigt, sich etwa Firmen wegen hoher Energiekosten zur Abwanderung gezwungen sehen, entlarvt sich der Reduktionismus.
Klimamodelle indes liefern den Reduktionisten Argumente. Die Simulationen zeigen, wie sich die Welt ändert mit steigendem CO2-Gehalt. Die Modelle bieten mit wissenschaftlicher Autorität scheinbar Orientierung in einer komplexen Welt.
Das Klima sei aber kaum je Schlüsselfaktor, bestätigt der Klimatologe Hans von Storch:
Der Klimareduktionismus, bedeute “the loss of understanding that climate is hardly a key explanatory factor for societal differences and developments. Consequently, large segments of the field tacitly and unknowingly began reviving the abandoned concept of climatic determinism.”
Veränderungen außer dem Klima klammern die Klimamodelle aus. Der Reduktionismus schade, weil er Zielkonflikte ignoriere, betont Mike Hulme:
"Climate reductionism is the means by which the knowledge claims of the climate modelers are transferred, by proximity as it were, to the putative knowledge claims of the social, economic, and political analysts"
Neben dem Klimaschutz haben die Vereinten Nationen 16 weitere Ziele verankert, etwa Bildung, Gesundheit, den Zugang zu billiger Energie oder den Sieg über Hunger und Armut. Der Klimareduktionismus macht jene Ziele vergessen.
Klimaschutz steht in Konkurrenz um Ressourcen zu den anderen Zielen, er kann andere Probleme verschärfen. Eingriffe des Menschen würden das Wohlergehen der Menschheit auf unvorhersehbare Weise verändern, resümiert Mike Hulme:
“Since it is at least possible—if not indeed likely—that human creativity, imagination, and ingenuity will create radically different social, cultural, and political worlds in the future than exist today, greater effort should be made to represent these possibilities in any analysis about the significance of future climate change. Some of these futures may be better; some may be worse. But they will not be determined by climate, certainly not by climate alone, and these worlds will condition—perhaps remarkably, certainly unexpectedly—the consequences of climate change.”
Das Problem betrifft auch Naturphänomene. Studien etwa, welche die Ausbreitung von Malaria wegen der Erwärmung vorhersagen, verengen den Blick auf wissenschaftlich illegitime Weise; allzu viele Faktoren werden ausgeblendet.
Der UN-Klimareport vergleicht die Welt bei 1,5 Grad Erwärmung mit 2 Grad Erwärmung, so als ob sich nur das Klima ändern würde. Nicht ausgeschlossen indes, dass eine 2-Grad-Welt besser sein könnte, schreibt Hulme:
“There are some futures beyond 1.5C (or even 2C) that are more desirable than other futures which do not exceed these warming thresholds. We should not mistake one set for the other.”
Der Klimareduktionismus ist mittlerweile so tief im Alltag verankert, dass selbst Sportmeldungen Klimaschlagzeilen liefern. Ein Fußballspiel zweier Mannschaften aus der selben Stadt wird wegen kurzer Wege zum “Klimaschutz-Kracher”:
Auf den Punkt gebracht hat den Klimareduktionismus Daniel Sarewitz, Wissenschaftsforscher an der Arizona State University. Vielleicht mache uns der Klimawandel dumm:
“Indeed, with climate change being blamed for almost everything these days, the one phenomenon that seems to have escaped the notice of scientists, environmentalists and the media alike is that, perhaps above all, climate change is making us stupid.” Axel Bojanowski