Russischer Schatten der Klima-Bewegung
Auch Kanzlerin Merkel mahnte, dass Putin westliche Klimaproteste unterstützt
„Die hybride Kriegsführung seitens Russlands ist täglich zu spüren in jedem der europäischen Länder”, sagte Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Ihre Rede bekommt wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine neues Gewicht.
Auf eine Frage aus dem Publikum nach ihren Ideen für Europa stellte die damalige Kanzlerin die Proteste von "Fridays for Future" in Zusammenhang mit hybrider Kriegsführung Russlands.
Die hybride Kriegsführung im Internet sei schwer zu erkennen, „weil sie plötzlich Bewegungen haben, von denen sie gedacht haben, dass sie nie auftreten“. Die Bewegungen setzten “immer an einem Manko an”.
Merkel: „In Deutschland protestieren jetzt die Kinder für Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen.“
Kampagnen könnten heute über das Internet viel leichter gemacht werden als früher:
Zahlreiche Dokumente zeigen, dass Russland die Klimabewegung des Westens einspannte, um beispielsweise Erdgasförderung zu verunglimpfen. Versuche, Erdgas in westlichen Ländern zu fördern, scheiterten häufig an Fracking-Protesten von Klimaschützern.
Russland nutzte die Tatsache, dass sich seine Interessen mit denen westlicher Klimaschützer treffen: Die Förderung fossiler Energien zu verhindern, ist ihr Ziel - allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
Die Aktivisten wollen eine “CO₂-freie” Industriegesellschaft, manche kämpfen gegen den Kapitalismus. Putins Russland will Erdgas in den Westen verkaufen.
Ich hatte im März für WELT ausführlich über das Thema berichtet.
Deutliche Hinweise:
Hillary Clinton, ehemalige Außenministerin der USA, hatte für Fracking geworben, sie berichtete von ungewöhnlichem Widerstand. Bei einer privaten Rede im Jahr 2016, die Wikileaks öffentlich machte, sagte sie:
„We were even up against phony environmental groups, and I’m a big environmentalist, but these were funded by the Russians to stand against any effort, ‘Oh that pipeline, that fracking, that whatever will be a problem for you,’ and a lot of the money supporting that message was coming from Russia”.
Fiona Hill, frühere Direktorin für Europa und Russland im Nationalen Sicherheitsrat der Trump-Regierung und US-amerikanische Sicherheitsexpertin , berichtete von einem Gespräch mit Putin im November 2011. Putin habe gegenüber Experten und Journalisten klargemacht, dass er Fracking in den USA als „a great threat to Russian interests“ werte.
„We were all struck by how much he raised this issue“, erzählte Hill.
82 Millionen Euro habe die russische Regierung an europäische Klimaschutzverbände überwiesen, deren Ziel es ist, Erdgasförderung in Europa zu verhindern, sagte ein Informant Wissenschaftlern des Martens Centre for European Studies.
2014 berichtete der frühere Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, Russland habe Umweltorganisationen unterstützt, „um europäische Abhängigkeit von russischem Gas zu erhalten“. „Was rauchen die im Nato-Hauptquartier, dass sie solche Anschuldigungen verbreiten?“, konterte Greenpeace die Vorwürfe. Die Nato blieb bei ihrer Darstellung.
"We share the concern of some allies that Russia may seek to impede potential shale gas exploration projects in Europe in order to maintain Europe's dependence on Russian gas", sagte ein Nato-Vertreter der Fachzeitschrift „Foreign Policy“. Und weiter:
"Well-organized and well-funded environmental opposition to fracking in Europe sprang up suddenly in countries such as Bulgaria and Ukraine, which had shown little prior concern for the environment but which are heavily dependent on Russia for energy supplies. Similar movements have also targeted Europe’s plans to build pipelines that would offer an alternative to reliance on Moscow."
Vertreter US-amerikanischer Energiefirmen warfen Russland verdeckte Finanzierung der Klimaschützer vor. Der Chef des Unternehmens Continental Resources sagte:
„Russia's spent a great deal of money over here to cause a panic in the United States over fracking to stop it, because suddenly their market share is going away".
US-Amerikanische Medien berichteten von Dokumenten, die zeigen sollten, dass Energiemanager russischer Unternehmen hohe Millionenbeträge an amerikanische Umweltorganisationen überwiesen hätten (was diese zurückwiesen).
Ein Bericht der Nationalen Sicherheitsbehörde der USA sah Putins Leute hinter den Berichten:
“This is likely reflective of the Russian Government’s concern about the impact of fracking and US Natural gas production on the global energy market and the potential challenges to Gazprom’s profitability.”
„Wir haben Gazprom-Finanzierung bei Umwelt-NGOs festgestellt“, bestätigt Dominique Reynié von der Fondation pour L’innovation politique, einem französischen Forschungsinstitut.
Russische Medien betrieben Anti-Fracking-Propaganda. „Russia Today“ bezeichnete Fracking-Firmen als “Kinderschänder” und behauptete fälschlicherweise, die Erdgasförderung würde Krebs bei Kindern auslösen.
Während die USA sich widersetzten, blieben in Europa die meisten Schiefergas-Vorkommen im Boden.
Der Druck von Klimaaktivisten auf Firmen und Regierungen habe zur Abkehr der Investoren geführt, stellte die Investmentbank Goldman Sachs fest. Zum gleichen Schluss kamen auch die „Financial Times“ und jüngst die „New York Times“.
Dabei hatte die EU-Kommission festgestellt, dass in Schiefergestein enthaltenes Gas mittels Fracking „zur Versorgungssicherheit der EU und ihrer Wettbewerbsfähigkeit beitragen kann“.
Firmen standen bereit, das heimische Erdgas zu erschließen. In Deutschland aber hat die Bundesregierung Fracking 2017 sogar verboten, obwohl sämtliche wissenschaftliche Gutachten grünes Licht für Fracking in Deutschland gegeben hatten.
Europa drosselte auch die Förderung seines konventionellen Erdgases radikal: Vor 15 Jahren hatte es mehr Gas produziert als Russland exportierte, vor Beginn des Kriegs in der Ukraine exportiert Russland dreimal mehr Erdgas als Europa produziert.
Allein von 2015 bis 2019 konnte Russland seine Erdgasimporte nach Europa um ein Drittel steigern, der Kontinent deckte bis zum Krieg rund 40 Prozent seines Bedarfs mit russischem Erdgas.
Den USA indes gelang mit der massiven Intensivierung des Frackings im eigenen Land eine entscheidende Wende in Sachen Klimaschutz:
Wie kaum ein anderes Land konnten die USA in den vergangenen 15 Jahren ihren CO2-Ausstoß mindern. Die USA hatte Kohle durch gefracktes Erdgas ersetzt, das pro Energieeinheit weitaus weniger CO2 freisetzt. Ein Triumph über die hybride Kriegsführung Russlands. Axel Bojanowski