Der Meeresspiegel steigt - dennoch wächst das Land
Mein neues Buch über erstaunliche Verbesserungen der Welt, die kaum berichtet werden
“Die Welt ist schrecklich. Die Welt ist viel besser. Die Welt kann viel besser sein. Alle drei Aussagen gelten zugleich”, so hat der Datenforscher Max Roser von der Internet-Plattform “Our World in Data” die Lage treffend auf den Punkt gebracht.
Die Diskussionen über den Zustand der Welt konzentrieren sich allzu oft auf die erste Aussage. Nachrichten unterstreichen, was schiefläuft, selten heben sie die positiven Entwicklungen hervor.
Dabei könnten Medien seit Jahrzehnten täglich die Schlagzeile bringen: “Die Zahl der Menschen in extremer Armut ist seit gestern um 130.000 gesunken”.
Gleichzeitig leben noch immer viele Menschen in Armut, der Fokus einzig auf Fortschritte würde in die Irre führen. Naiver Optimismus lähmt ebenso wie naiver Pessimismus. Derzeit aber dominiert Umweltapokalyptik die Debatten.
Mein neues Buch soll deshalb besonders jungen Menschen Perspektiven zeigen, die sie in der Schule, im Studium, auf YouTube und in anderen Medien kaum erfahren.
In “33 erstaunliche Lichtblicke, die zeigen, warum die Welt viel besser ist, als wir denken” erzähle ich - illustriert mit über hundert mehrfarbigen Abbildungen und Tabellen - von wesentlichen Verbesserungen, die zu Unrecht kaum berichtet werden.
Hier lässt sich das Buch bestellen.
Es folgt beispielhaft die Geschichte eines Phänomens, von dem kaum jemand gehört haben dürfte, obwohl es wissenschaftlich dokumentiert ist:
Der Meeresspiegel steigt, dennoch wächst das Land.
Seit langer Zeit schwellen langsam die Ozeane, womit das Risiko für Überschwemmungen zunimmt.
Doch Messungen zeigen Überraschendes: Die Landflächen der Erde an den Küsten werden größer.
Mit drei bis vier Millimetern pro Jahr steigt der Meeresspiegel aufgrund der globalen Erwärmung. In den vergangenen 150 Jahren schwoll er im globalen Durchschnitt insgesamt um 25 Zentimeter.
Küstenregionen sind gewarnt, denn das Wasser droht landeinwärts vorzudringen. Messungen jedoch zeigen das Gegenteil: Die Landfläche ist gewachsen, die Küsten werden größer.
Allein von 1985 bis 2015 stieg das Meer um sechs Zentimeter, doch die Küsten wuchsen um fast 34.000 Quadratkilometer, nahezu zehnmal die Fläche Mallorcas, berichten Geowissenschaftler um Yongjing Mao von der University of Queensland, Australien, 2021 im »Journal of Photogrammetry and Remote Sensing«.
Auf fast allen Breiten- und Längengraden haben sich die Küsten ausgedehnt, trotz Meeresspiegelanstieg.
“Wir haben herausgefunden, dass Zunahme der dominierende Trend gegenüber der Erosion auf der Welt ist”, schreiben die Forscher.
Die global gemittelte Änderungsrate betrage 0,26 Meter pro Jahr, also ein Plus von rund einem Viertelmeter; außer in Nordamerika würden die Küsten überall wachsen. Wohlstand erleichtert Schutz gegen den Klimawandel: Die Menschheit konnte den schwellenden Fluten trotzen, weil sie sich besser wappnete.
Obwohl die Pegel höher auflaufen, richten sie weniger Schäden an, dokumentiert eine Studie in “Global Environmental Change”.
Dass ein hoher Meeresspiegel nicht automatisch den Verlust von Land bedeutet, beweisen die Niederlande seit Jahrhunderten. Rund ein Sechstel ihres Landes haben die Niederländer der Nordsee abgetrotzt. Die Niederländer bauten Deichkreise ins Meer, um das darin gefangene Wasser herauszuschaffen – und das trocken gefallene Land zu befestigen.
Die Niederlande sind besonders gefährdet: Gut ein Viertel der Fläche mit einem Fünftel der Bevölkerung liegt unter dem Meeresspiegel, manche Regionen mehr als fünf Meter tief. Hohe Deiche und Tore schützen das Land.
Auf einen weiteren Anstieg der Nordsee um einen Meter wären Küstenanlagen bereits eingestellt, teilt das niederländische Amt für Wasserbau mit. Abgedeckt sind damit auch pessimistische Szenarien bis Ende dieses Jahrhunderts.
Die Behörde plant bereits für die Zeit danach: Technisch könnten die Niederlande bereits vier bis fünf Meter Meeresspiegelanstieg bewältigen, sagte mir neulich der Leiter der Behörde.
Bangladesch ist reicher, als es die Niederlande Mitte des 19. Jahrhunderts waren, als sie der Nordsee bereits Land abtrotzten. Entsprechendes Potenzial hat auch das asiatische Land.
Bangladesch sei mittlerweile eines der am besten auf den Meeresspiegelanstieg vorbereiteten Länder, erklärte Saleemul Huq, bis zu seinem Tod im Oktober 2023 Direktor des International Centre for Climate Change and Development, über sein Heimatland.
“Wir haben akzeptiert, dass wir uns anpassen müssen«, sagte Huq.
Mit dem steigenden Meer dringt zunehmend Meersalz ins Grundwasser und auf landwirtschaftliche Felder. Bangladesch hat reagiert: Salztolerante Pflanzen werden angebaut, Ernteverluste auf diese Weise verhindert.
Auch Inselreiche werden größer. Viele Südsee-Eilande wachsen mit dem schwellenden Meer. Die Malediven bauen zudem künstliche Inseln.
Die Landfläche des Inselreiches vergrößerte sich in den vergangenen 25 Jahren um das Ausmaß von 5400 Fußballfeldern, wie eine Studie einer Gruppe um Andrew Holdaway von der University of Auckland in Neuseeland zeigt.
Bisweilen schaffen negative Entwicklungen anderswo Küstenwachstum: Der Landgewinn an Flussmündungen sei häufig damit zu erklären, dass Wälder im Hinterland gerodet wurden. Deshalb gelangte vermehrt Sand in die Flüsse, der sich in den Mündungen ablagerte. Das Aufstauen von Flüssen hingegen entzieht ihnen Sediment, was die Erosion in den Mündungen fördert.
Bis Ende des Jahrhunderts könnten die Meere laut UN-Klimarat um 32 bis 76 Zentimeter höher stehen, und nach 2100 würde der Anstieg weitergehen. Ein immenses Problem: 600 Millionen Menschen weltweit leben an der Küste weniger als zehn Meter über dem Meeresspiegel.
Manche Metropolen bedroht nicht nur der Anstieg der Ozeane, sondern auch die unkontrollierte Förderung von Grundwasser, die Städte absacken lässt. Teile der indonesischen Hafenstadt Semarang etwa senken sich mit bis zu 15 Zentimetern pro Jahr ins Meer. Manche Straßenzüge der Millionenstadt sind bereits im Meer versunken.
Bei der Kalkulation der Auswirkungen müssten zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, fordern Experten um Gennadii Donchyts von der Delft University of Technology in den Niederlanden. Erwärmungsfolgen, natürlicher Wandel und menschengemachte Veränderungen wirkten gleichzeitig– moderne Technologie kann helfen, die Fluten zu bändigen. Axel Bojanowski
Mein neues Buch “33 erstaunliche Lichtblicke, die zeigen, warum die Welt viel besser ist, als wir denken”, illustriert mit mehr als hundert mehrfarbigen Abbildungen und Tabellen lässt sich hier bestellen.