Jede steile These wird zur Schlagzeile
So leicht schafft es Klima-Alarm in die Medien - zum Leidwesen von Kindern
Haben Sie diese Woche auch all diese Schlagzeilen gesehen? “Tagesschau” und “Heute” haben berichtet und eigentlich alle große Medien. Die globale Erwärmung verlaufe schneller, sie habe sich beschleunigt, bis 2050 drohe die 3-Grad-Marke gerissen zu werden.
Ein kleiner Ausschnitt der Berichterstattung bei Google:
Quelle der Nachrichten war der “Extremwetterkongress” in Hamburg. Der Organisator ist gleichzeitig Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG), und er hat zusammen mit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) eine Stellungnahme organisiert, wonach der Klimawandel sich beschleunigt habe.
Perfektes Material für Journalisten:
Mein Medium WELT hat leider auch mitgemacht und sogar zwei jener unausgegorenen Meldungen der Nachrichtenagenturen gebracht, welche den Alarm in allen Redaktionen verbreiten.
Jene Schlagzeilen wirken, als ob es sich um neue wissenschaftliche Ergebnisse handeln würde. Aber das stimmt nicht, die Artikel beruhen auf Kongress-PR von den zwei Verbänden.
Ich habe bei WELT in Kürze die Vorgeschichte erzählt, wie jene Wissenschaftsverbände seit 40 Jahren in die Schlagzeilen drängen.
Die Vorgeschichte
Zum Beispiel wie sich Anfang Januar 1986 ein Mitarbeiter der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) beim „Spiegel“ meldete, dass man in Kürze die Warnung vor einer Klimakatastrophe veröffentlichen werde - ob das Magazin nicht vorab berichten wolle? Die DPG wollte Atomkraftwerke (sind klimaneutral), viele ihrer Mitglieder arbeiteten in der Branche.
Tatsächlich referierte der “Spiegel” am 20. Januar 1986 unter der Überschrift „Tod im Treibhaus“ die Gruselprognosen der DPG: Die globale Temperatur werde um 5, vielleicht um 15 Grad, steigen, mahnte die DPG - was sich als weit übertrieben erweisen sollte.
„Die Folge“, erläuterte ein “ARD”-Kommentar damals die DPG-Prognose: „Tod für Millionen“. In ein bis zwei Jahrzehnten, also Anfang der 2000er-Jahre, sei es für Gegenmaßnahmen zu spät, warnte die Sendung “Panorama” – auch eine Übertreibung.

Es kam zum Eklat: Die Mitglieder der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) beschwerten sich bei der DPG, dass die Physiker die Klimakatastrophe an sich gerissen hätten: „Wenn ihr schon über unseren Fachbereich schreibt, nehmt doch wenigstens zwei Meteorologen dazu.“
DMG und DPG verfassten daraufhin eine gemeinsame Version der Klimawarnung für die Bundesregierung. Darin prognostizierten die Verbände eine globale Erwärmung von 3 bis 9 Grad. Auch diese Werte erwiesen sich als deutlich zu pessimistisch.
Gleichwohl: Der Klima-Alarm in den Achtzigern war grundsätzlich berechtigt, die Erwärmung schritt voran mit 0,2 Grad pro Jahrzehnt – und sie wird nach allem, was man weiß, weitergehen, mit einhergehenden Umweltrisiken. Nach den übertriebenen Prognosen von damals aber fragte niemand mehr.
So funktioniert die Klima-Kommunikation bis heute. Berechtigte Warnung vor der Klimaerwärmung scheint jede Aussage zu legitimieren und sei sie noch so extrem.
Seit ihrem Clinch kooperieren DPG und DMG bei ihren Warnungen vor der Klimakatastrophe. Beliebte Bühne ist der „Extremwetterkongress“, eine jährliche Werbemesse der Wetter- und Klimabranche in Hamburg.
Diese Woche lief sie wieder nach Drehbuch: Ein sauber kuratiertes Pressekit erreicht ein paar Tage vor der Veranstaltung die Medienredaktionen, mit Embargo versehen verspricht es neue Erkenntnisse und Steigerungen bisheriger Warnungen.
Der neue Alarm
Diesmal präsentieren DMG und DPG einen „Aufruf zu entschlossenem Handeln“ – weil sich die globale Erwärmung beschleunigt habe und eine weitaus stärkere Temperaturerhöhung drohe als erwartet: 3 Grad bis 2050 im Vergleich zum 19. Jahrhundert (1,2 Grad sind schon erreicht), postulieren DMG und DPG in ihrem Statement.
Das bedeutet: Die Temperatur in den nächsten 25 Jahren müsste mehr als dreimal so schnell steigen wie bislang: um gut 0,7 Grad pro Jahrzehnt.
Mit ihrer Warnung lehnen sich DMG und DPG erneut weit aus dem Fenster, denn dass der leichte Sprung der Globaltemperatur in den vergangenen zehn Jahren einen beschleunigten Trend widerspiegelt, erscheint unwahrscheinlich, wie Studien zeigen.
Die Frist sei zu kurz für ein seriöses Urteil, die vergangenen Jahre wären vermutlich ein statistischer Ausreißer, erklären Klimaforscher.
Die Warnungen vom “Extremwetterkongress” sind also bestenfalls Außenseiterthesen. Doch Immer-schlimmer-ismus mit wissenschaftlich angehauchtem Plazet erntet traditionell große Schlagzeilen in Massenmedien.
Was sagen Klimaforscher zu den Thesen von DPG und DMG?
Bjorn Stevens, Direktor der Abteilung Klimaphysik, Max-Planck-Institut für Meteorologie:
“Aus meiner Sicht gibt es keine fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Annahme, dass sich die Welt bis 2050 um drei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmen könnte.”
„Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass sich die Erwärmung beschleunigt. Der Zeitraum von Mitte 2023 bis Mitte 2024 war hinsichtlich der sprunghaften Veränderung der globalen Durchschnittstemperaturen alarmierend, aber nicht beispiellos. Die Veränderungen über wenige Jahre hinweg können weder als Zeichen einer beschleunigten Erwärmung gewertet werden, noch schließen sie diese aus.“
“Aus historischen Aufzeichnungen wissen wir, dass die Temperatur nicht von Jahr zu Jahr gleichmäßig ansteigt, sondern oft größere Sprünge erlebt, auf die eine geringere Erwärmung oder eine Erwärmungspause folgt”
Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven (Mitglied der DMG, aber an der aktuellen Stellungnahme nach eigenen Angaben nicht beteiligt):
“Zunächst kann man kann in der Tat sagen, dass die global gemittelte Temperatur in den letzten Jahrzehnten schneller gestiegen ist als in den Jahrzehnten zuvor. Die längerfristige Erwärmungsrate lag seit den 70er-Jahren bei ungefähr 0,2 Grad Celsius pro Dekade, wohingegen sie in den letzten 10 bis 20 Jahren eher im Bereich von 0,25 bis 0,3 Grad Celsius pro Dekade lag. Ob sich diese Beschleunigung angesichts natürlicher Schwankungen bereits statistisch robust belegen lässt, ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht eindeutig geklärt.”
Die These von den 3 Grad Erwärmung bis 2050 hätte also wenigstens kritisch eingeordnet werden müssen in den Berichten. Aber statt unabhängiger Klimaforscher zitieren Medien - leider auch WELT - nur den Vorsitzenden der DMG: „Die Beschleunigung der globalen Erwärmung ist derart schnell, dass wir aus der Klimakurve fliegen“, sagte er.
Die Profiteure
So feiern alle ihren Erfolg: Der “Extremwetterkongress” läuft in allen Medien, DMG und DPG und einige Wissenschaftler ebenfalls, Journalisten haben ihre absichernden Klimakatastrophen-Stories (mit denen sie ihren Kollegen signalisieren, dass sie dazugehören), Medien können ihre Seiten füllen mit “Relevanz” (was könnte relevanter sein als Weltuntergang).
Nur die Leser bleiben mal wieder allein mit der Nachricht, dass bald eine “unvorstellbare Katastrophe” (ein Wissenschaftler im ZDF zu den DMG-Thesen) kommen werde.
Ich werde nie verstehen, dass manche es fertigbringen, solch unausgegorene Weltuntergangsprognosen auf Bürger und insbesondere auf Kinder loszulassen. Manche haben offenbar kein Problem damit, für die eigene Karriere auf Kinderseelen herumzutrampeln. Es ist, man muss es leider feststellen: schrecklich. Axel Bojanowski








